So schnell lassen sich die anpassungsfähigen Opportunisten nicht einschüchtern, sie sind wahre Überlebenskünstler, die auf der Suche nach neuen Lebensräumen urbane Gebiete erobern und sich zunehmend in städtischen Gärten, Parkanlagen und auf Friedhöfen ausbreiten. In der Stadt warten neue Herausforderungen auf sie, oft sind die Populationen isoliert und der genetische Austausch unterbrochen. Langfristig kann die Inzucht zu gesundheitlichen Problemen und schließlich zum Aussterben führen.

 

Feldhamster europaweit bedroht

 

Es ist schon eine außergewöhnliche Geschichte vom Überlebenskampf der mutigen, kleinen Feldhamster, die sich gegen alle Gefahren zur Wehr setzen. Bei Feindangriff stellen sie sich auf die Hinterpfoten, blasen ihre Backentaschen auf, fauchen laut oder schlagen Kapriolen. Ob diese Verteidigungsstrategie auch bei den Herausforderungen der heutigen Zeit ausreicht, wird die Zukunft zeigen.

 

Ursprünglich in der Steppe zu Hause, reicht ihr westliches Verbreitungsgebiet bis nach Mitteleuropa, wo sie vor allem, wie der Name „Feldhamster“ bereits verrät, an Feldrändern leben. Als Erntedieb wurden die sympathischen Tiere stets verfolgt und getötet. Die Intensivierung der Landwirtschaft erschwerte das Überleben zusätzlich. Auf der Suche nach neuen Lebensräumen siedelten sich die flinken Hamster an Stadträndern an. Aber auch hier waren sie nicht in Sicherheit, der massive Siedlungs- und Straßenbau hat sie tiefer in urbane Gebiete getrieben.

 

In den 80er Jahren nahm der europäische Hamsterbestand durch Verfolgung und Lebensraumverlust so dramatisch ab, das sie heute am Rande des Aussterbens stehen. Während sie in einigen Teilen von Deutschland vollkommen verschwunden sind, ging der Bestand in Belgien, den Niederlanden und Frankreich bedrohlich zurück. In Österreich konnten sie in einigen, wenigen inselartigen Gebieten überleben. Heute sind die Sorgenkinder des Artenschutzes streng geschützt und Projekte zu ihrem Erhalt laufen, wie z.B. ein Zucht,- und Auswilderungsprojekt in Deutschland. Die Bemühungen gehen soweit, das sie in Teilen Deutschlands, in denen Hamster bereits ausgestorben sind, wieder angesiedelt werden.

 

Das Besondere an den Wiener „Stadthamstern“

 

Die quirligen Hamster sind sehr anpassungsfähig und lassen sich nicht unterkriegen, das Wiener Vorkommen ist etwas Besonderes, hier haben sich die Feldhamster zu wahren Stadthamstern gewandelt. Auf der Suche nach neuen Lebensräumen eroberten sie allmählich städtische Parkanlagen, Gärten und Friedhöfe. Die kleinen Nager haben sich so gut an die Stadt und Menschen gewöhnt, das sie ihr Verhalten ändern. Auf den Friedhöfen sind sie nicht mehr so scheu, denn die normalerweise dämmerungsaktiven Tiere fühlen sich zwischen Gräbern, Denkmälern und Kreuzen so sicher, dass sie auch tagsüber auf Nahrungssuche gehen.

 

Was wird gehamstert?

 

Ihr Speiseplan besteht vorwiegend aus vegetarischer Kost. Aber das Nahrungsangebot am Friedhof unterscheidet sich vom Futter auf den Feldern gänzlich. Das fehlende Getreide wird durch Gräser, Klee, Samen, Beeren, Blätter und so manchen Blumenstrauß ersetzt. Nicht einmal vor dem fettigen Wachs der Grablichter machen sie halt. Problematisch wird es wenn Besucher die Tiere mit Brot, Keksen oder Schokolade füttern, das vertragen sie überhaupt nicht.

 

Auch sind die flinken Nager als Einzelgänger in der Stadt gezwungen sich an die Platzknappheit anzupassen und ihre Baue in geringen Abständen zu graben, während am Land die Höhlen möglichst weit auseinander liegen. Der Bau wird aber immer noch vehement gegen Artgenossen verteidigt, er ist lebenswichtiger Zufluchtsort, Aufzuchtplatz für die Jungen und Rückzugbereich für den Winterschlaf. Bereits im Spätsommer und im Herbst tragen sie Unmengen an Nahrung in ihre unterirdischen Bauten. In ihren dicken Backentaschen sammeln sie Futter, das bis zu einem Viertel ihres Körpergewichts ausmachen kann. Bis zum Winter können schon 5 kg Vorrat zusammenkommen, mindestens 2 kg benötigen ein Hamster um den Winter zu überleben.

 

Hamster leben in weit verzweigten unterirdischen Höhlen, die sie in Lößböden graben. Für die Aufzucht der Jungen ist nur das Weibchen zuständig. Eine Hamstermutter kann bis zu drei Würfe mit 5-12 Jungen im Jahr großziehen. Das klingt zuerst viel, aber die Sterblichkeitsrate der Babys ist sehr hoch, ihr Lebensalter mit 2-3 Jahren ist gering und sie haben viele Fressfeinde, daher sie setzten auf eine hohe Reproduktion zur Arterhaltung. Zu ihren natürlichen Feinden, wie Greifvögel, Füchse, Wiesel kommen in der Stadt noch Katzen und der Autoverkehr. Die städtischen Junghamster bleiben auch länger im Familienverband zusammen, als ihre Artgenossen am Land. Dort verlassen die Jungen sehr früh den Bau, um ein eigenes Revier zu suchen. Ein großes Problem gegen die die Hamster weitgehend machtlos sind, ist ihre inselartiges Vorkommen. Wahrscheinlich wurden sie in Wien im Zuge von Bautätigkeiten weitgehend isoliert. Durch Straßen und Gebäude von anderen Populationen abgeschnitten, fehlt nun der notwendige genetische Austausch. Die so entstandene Inzucht führt zu Krankheiten, unter anderem werden Augenprobleme beobachtet und langfristig kann es zum Aussterben der Art kommen.

 

Über lange Zeit habe sie sich an alle widrigen Umständen angepasst und dank ihres Opportunismus überlebt. Forschung und Wissen über die Art ist Voraussetzung für effiziente Schutzmaßnahmen. Es liegt in der Verantwortung der Menschen den sympathischn Hamstern unter die Pfoten greifen und z. B. einen Versuch zur Vernetzung der aufgesplitterten Inselpopulationen mittels Korridoren zu starten, Habitatverbesserungen und Lebensraumschutz durchzuführen

 

Hamster im Focus

 

Die bunten Wiener Friedhofhamster sind dank ihrer Optik und Wesens beliebte Fotomotive und in der Zwischenzeit so berühmt, das Naturfotografen und Filmteams von überall her kommen um zwischen den Gräbern liegend möglichst spannende Bilder der possierlichen Tiere einzufangen, es ist keine Seltenheit, das die sympathischen Nager dabei einem über die Füße huschen. Sie haben es bis zum Star im Film des britischen Naturfilmers David Attenborough geschafft. Es ist den opportunistischen Tieren nur zu wünschen, das ihre neu gewonnene Berühmtheit ihnen beim Überlebenskampf hilft.