Nachbar Wildtier

Immer mehr Wildtieren entdecken die Vorteile des Stadtlebens. Urbane Naturräume, die Wildtieren als Zufluchtsorte dienen sind überraschend vielfältig. Begegnungen mit Rehen im Park, Füchsen in Gärten, Feldhamster am Friedhof, Wildschweinen und Eichhörnchen in Stadtwäldern, brütenden Vögeln am Balkon sind keine Seltenheit. Sensationelle Bilder zeigen eindrucksvoll die Vielfalt, Anpassungsfähigkeit und den unglaublichen Einfallsreichtum der Wildtiere im Großstadtdschungel.

 

Tschüss Land, hallo Stadt!

 

Füchse ziehen ihre Jungen zwischen Häuserschluchten und an Bahndämmen auf, Wildkaninchen hoppeln über den Kinderspielplatz, Igel gehen abends im Stadtpark auf Futtersuche, Dachse durchstreifen Gärten, Feldhamster leben am Friedhof und Wildschweine überqueren Straßen. Immer mehr Wildtiere zieht es in Großstädte, sie besiedeln Parks, Gärten, Stadtwälder, Friedhöfe, Böschungen und Brachflächen. Das Leben unter Menschen bringt mehr Vorteile, als das Landleben. In der Stadt finden sie Nahrung, Wärme und Schutz. Je größer die Stadt, desto vielfältiger ist auch das Tierleben. Alle Tiergruppen von Einzellern über Insekten und Amphibien bis zu Säugetieren sind vertreten, bis zu 10.000 Arten können vorkommen. Die Opportunisten passen ihr Verhalten an die neue Umgebung an und werden zu Spezialisten, es können sich sogar neue Arten entwickeln.

 

Immer schon kommen Wildtiere in unsere Städte, die typischen Kulturfolger wie Ratten oder Tauben und Mauersegler, leben bereits seit dem Mittelalter in unseren Siedlungsgebieten. Schnell passen sich Tiere an die neuen Gegebenheiten an, Eichhörnchen und Amseln z.B. sind ehemalige

 

Waldbewohner, die heute selbstverständlich in den Parkanlagen zum Großstadtbild gehören.

 

Nachbar Wildtier

 

Entlang der Wanderrouten an Flüssen, Bächen, Bahndämmen oder Straßen erobern viele Wildtiere die Stadt und kommen bis in die Innenstadt. Doch was zieht Wildtiere besonders an? Es ist vor allem das Nahrungsangebot. Futter gibt es nicht nur in städtischen Park- und Gartenanlagen, auch volle Müllkübel, Komposthaufen in Privatgärten und die Vogelfütterung im Winter sorgen für einen reich gedeckten Tisch. In der Stadt finden sich mehr Unterschlupfmöglichkeiten als im Umland, wo ausgeräumte Agrarlanschaften und intensive Landwirtschaft vorherrscht. Außerdem werden Wildtiere im urbanen Gebiet nicht gejagt, denn die meisten Tiere sind bedroht und streng geschützt. Ziesel, Feldhamster und Co stehen auf der Roten Liste vom Aussterben bedrohter Tierarten.

 

Läßt man ihren Raum erweisen sich Wildtiere als äußerst anpassungsfähig und gewöhnen sich schnell an das urbane Treiben. Neuen Statistiken zufolge ist sogar anzunehmen das sich in Zukunft noch mehr Wildtiere, vor allem in der Peripherie der Städte, ansiedeln. Viele Wildtiere sind schon Großstädter, sie werden bereits in der Stadt geboren und wachsen zwischen Häusern, Straßen und Geleisen auf, sie kennen das Freiland nicht mehr.

 

Arche Noah Großstadt

 

Die geselligen Wildkaninchen finden Nahrung und Zuflucht am Bahndamm und besiedeln Verkehrsinseln, der Biber erobert nach seiner Ausrottung vor 100 Jahren die Großstadt entlang von Bächen. In den Randbezirken gräbt der Dachs seinen Bau und manchmal werden Bauten von Dachs und Fuchs gemeinsam bewohnt. Wildschweine durchpflügen Gärten und Parkanlagen auf ihrer Suche nach Futter. Steinmarder durchstreifen Dachböden und legen so manches Auto still. In den Bäumen tummeln sich die flinken Eichhörnchen. Am Wiener Zentralfriedhof leben Feldhamster und Rehe zwischen Grabsteinen und Kreuzen. (Auch wenn die meisten Tiere einwandern kommt es auch vor, das Wildtiere durch die Verbauung einfach eingeschlossen werden, wie z.B. die Feldhamster, die ursprünglich an Feldrändern der Vororte lebten und von der Verstädterung „überrollt“ wurden.)

 

Mit Einbruch der Dämmerung übernehmen Fledermäuse die Insektenjagd am Abendhimmel. Die dämmerungsaktiven Tiere finden Unterschlupf in Kirchtürmen oder auf Dachböden, wo sie den Tag über schlafen. Jedes Frühjahr wandern tausende Amphibien zu ihren städtischen Laichgewässern. Die Grasfrösche starten im Februar, gefolgt von Erdkröten, Spring- und Laubfröschen. Molche verlassen nach ihrer Eiablage die Tümpel. Im Teich schwimmt die harmlose Ringelnatter, der Kompost bietet den nützlichen Blindschleichen einen Unterschlupf. In der warmen Jahreszeit finden sich Zauneidechsen beim Sonnenbad auf den Steinen. Abends hört man den Igel schmatzend und raschelnd durch Gärten wandern. Er ist nicht scheu da er auf sein bewährtes Stachelkleid vertraut.

 

Nicht alle Tiere sind gleichermaßen willkommen, während Eichhörnchen ganz oben auf der Beliebtheitsskala der Stadtmenschen stehen, sind Mader und Waschbären auf Dachböden nicht gern gesehen. Vehement bekämpft werden Mäuse und Ratten.

 

Vögel lieben das Stadleben

 

Vögel finden in den Stein- und Betonwüsten Schutz, Nahrung und Nistmöglichkeiten. Schnell haben sich an die städtischen Bedingungen angepasst, und ihr Verhaltens verändert, Amseln und Stare zwitschern Handymelodien. Auch der Vogelgesang ist lauter, um den Verkehrslärm zu übertönen. Von den 260 Vogelarten, die in Wien vorkommen brüten an die 130 Arten, wie Meisen, Schwalben, Sperling, Finken. Es herrscht ein reges Kommen und Gehen bei den gefiederten Freunden. Im Frühjahr zieht es die Brutvögel aus den südlichen Winterquartieren in die Stadt, dafür verlassen uns die Vögel, die den Winter über hier verbracht haben. Viele Piepmätze bleiben aufgrund der ausreichende Winterfütterung gleich im Siedlungsgebiet und fliegen erst gar nicht in den Süden.

 

Amseln brüten gerne in der Hecke vor dem Haus oder sie bauen ihr Nest direkt am Balkon zwischen den Sommerblumenkisten. Viele Vögel lassen sich auch durch aufgehängte Nistkästen zum brüten verlocken. Schnell besiedeln Meisen, Sperlinge oder Kleiber die angebotenen Nistmöglichkeiten und ziehen in einem Sommer zwischen 1-2 Bruten auf. Dabei vertilgt eine Meisenfamilie in einer Brutperiode bis zu 30 kg Insekten.

 

Mit der Vielzahl von Kleinvögeln kommen naturgemäß auch deren Jäger. Gut beobachten kann man z.B. Turmfalken, die auf Kirchtürmen, Häusern oder Fassaden brüten, denn die Dachvorsprünge sind den Felsen in der Natur sehr ähnlich. Über den Baumwipfeln der Wälder zieht der Mäusebussard seine Kreise und im Wald rufen Eulen und der Sperber jagt nach Singvögeln.

 

Schutzprogramme, wie z.B. Nisthilfen für Mauersegler an Gebäuden, helfen gefährdeten Vogelarten. Das Zusammenleben mit Wildtieren in der Stadt erfordert Verständnis und Toleranz, lassen wir Wildnis zu und schützen sie, statt sie zu bekämpfen. Denn letztendlich verbessern alle Grünräume die Lebensqualität einer Stadt.